Gewinn

Gewinn und Verlust sind Bruder und Schwester.
Aus Belgien

Es gab einen langen Vorlauf bis Slumdog Millionaire in Deutschland in die Kinos kam. Zu verschulden hatte dies wohl auch die Favoritenrolle bei den Filmpreisen, die man als kostenlose Werbung noch mitnehmen wollte. Nun läuft er endlich, und gestern nutzen wir die Gelegenheit uns davon zu überzeugen ob der Preissegen gerechtfertigt war. Um es vorwegzunehmen: Auch wenn ich immer ein wenig skeptisch bin wenn ein einziger Film die Festivals und Auszeichnungen dominiert, so muss ich sagen dass ich SDM nicht überbewertet finde.

Eine Inhaltsangabe ist auf Grund der weit gestreuten Berichterstattung überflüssig. Und dennoch war der Film ganz anders als ich mir vorgestellt habe. Erwartet hatte ich eine sozialkritisch angehauchte Liebesgeschichte in den Slums von Mumbai aus westlicher Sicht, bekommen habe ich etwas, was sich vielleicht als eine moderne Interpretation eines klassischen Filmepos bezeichnen lässt. Es ist ein Film der in erster Linie erzählt. Er erzählt von Glück und Unglück, von Verlust und Gewinn, von Trauer und Freude und von Liebe und Leid. Er tut dies alles in prächtigen Farben schönen Bildern und mit guten Schauspielern. Er benutzt bewährte Mittel aus amerikanischen, europäischem und indischem Kino ohne jedoch dabei beliebig zu wirken, sondern eher wie ein reines Extrakt aus den besten Zutaten. All dies jedoch ohne den belehrenden Zeigefinger oder einen aufklärerischen Auftrag erfüllen zu wollen. Genau dies macht das besondere von Slumdog Millionaire aus, er hat ein Thema aber macht es nicht zum Thema.
Die Kritiker werfen dem Film teilweise vor, dass er sich Bollywood aneignet und es aus der Sicht eines unwissenden Europäers mißbraucht. Ich finde dass genau das Gegenteil der Fall ist, Boyle macht eben nicht den Fehler aus der Kulisse Mumbais einen Betroffenheitsfilm zu generieren. Das hätte auch nicht funktioniert, denn hier soll eine Geschichte von Liebe, Leid und Glück erzählt werden, in der Mumbai nur den Rahmen bildet. Nicht der Slum ist das Thema, sondern die Menschen. Und ein europäischer Film macht zu gern den Fehler zu glauben, dass die Menschen dort sich von morgens bis Abends in ihrer Armut und ihrem Elend suhlen.
In diese Falle tappt Boyle nicht, er zeigt das Leben in all seinen Facetten ohne Wertung, oder ohne politisieren zu wollen. Deshalb funktioniert der Film so gut, weil er vorrangig unterhält ohne jedoch das Elend zu verstecken. Das er dabei teilweise etwas ungenau ist oder manchmal in die Nähe des Kitsches gerät verzeiht man im gern.

Manchmal soll Kino nämlich auch einfach nur unterhalten. Und genau das macht Slumdog Millionair, und zwar auf intelligente Weise und sehr hohem Niveau. So sehr, dass es mir vor Freude manchmal die Tränen in die Augen getrieben hat.


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